12. Dezember 2022 | |
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Thema: | Menschenrechte |
Von: | Katharina Höftmann Ciobotaru, Sarah Kessler |
Mit einem Lieferkettengesetz soll ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, um Umwelt, Menschen- und Kinderrechte zu schützen. Unternehmen sollen verpflichtet werden, sich entlang ihrer Lieferketten an die vereinbarten Standards zu halten. In Deutschland wird bereits ab dem 1. Januar 2023 ein Lieferkettengesetz gelten, das jedoch mehrere Schlupflöcher enthält und längst nicht alle Arbeitnehmer:innen schützt. Aber auch auf EU-Ebene wird aktuell um einen einheitlichen Gesetzesrahmen gerungen.
Interne Dokumente der zuständigen Bundesministerien und aus den EU-Ratsverhandlungen, die dem ARD-Magazin Monitor exklusiv vorliegen, zeigen: Die deutsche Bundesregierung versucht, den Gesetzentwurf an entscheidenden Punkten abzuschwächen.
Safe-Harbour-Klausel schwächt Gesetz erheblich ab
So sollen Waffenexporte und Finanzinvestitionen von dem Gesetz ausgenommen werden. Darüber hinaus müssen Unternehmen erst dann Risiken bei mittelbaren Geschäftspartnern untersuchen, wenn sie bereits Kenntnis über mögliche Menschenrechtsverstöße haben und wenn es vielleicht schon zu spät ist. Außerdem müssen Firmen dank einer sogenannten „Safe Harbour“-Klausel (zu Deutsch „sicherer Hafen“) nicht vor Zivilgerichten in der EU für Schäden haften, die sie durch Verstöße gegen Sorgfaltspflichten verursacht haben. Dieser Regelung folgend, könnten sich Unternehmen ihre Produkte einfach von externen Prüfern als einwandfrei zertifizieren lassen und mit einem solchen Zertifikat haften die Unternehmen dann nur noch, wenn ihnen grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz nachgewiesen werden kann. Eine deutliche Abschwächung der Haftungsregelung also.
Denn Zertifikate allein lösen das Problem nicht: Auch die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, die 2013 einstürzte, hatte kurz zuvor ein Zertifikat zur Gebäudesicherheit erhalten.
"Zahnloser Papiertiger"
Der Sozialdemokrat und EU-Abgeordnete Repasi fürchtet in der Tagesschau sogar, dass es sich bei dem ab Januar in Deutschland geltenden Gesetz um einen „zahnlosen Papiertiger“ handele. Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in Lieferketten würden mit diesem Gesetz nicht ausreichend bekämpft.
Dabei hat sich die Ampel ein „wirksames EU-Lieferkettengesetz“ in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Bereits im Februar hatte die Europäische Kommission dazu einen Vorschlag vorgelegt. Der EU-Ministerrat für Wettbewerbsfähigkeit hat sich Anfang Dezember dazu positioniert – Deutschland hat dem Ratsbeschluss zugestimmt.
Doch die Bundesregierung hat sich in den Verhandlungen nicht gerade rühmlich gezeigt: Bisher setzt sich die Bundesregierung nicht gerade für ein wirksames EU-Gesetz ein, sondern eher für dessen Abschwächung.
Fairplanet - Was tun?
Die Initiative Lieferkettengesetz.de fordert schon lange einen gesetzlichen Rahmen, der wirklich Arbeitnehmer:innen und Umwelt schützt:
- das Lieferkettengesetz muss ausnahmslos die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette von Unternehmen erfassen, ohne Ausnahmen und Schlupflöcher;
- Es muss Unternehmen in Haftung nehmen und Geschädigten endlich die Möglichkeit bieten, erfolgreich vor Gerichten in Europa Schadensersatz gegenüber beteiligten Unternehmen einzuklagen;
- Es muss Unternehmen verpflichten, auch Umwelt und Klima zu schützen;
- Es muss eine umfassende Beteiligung der Betroffenen bei der Umsetzung des Gesetzes sicherstellen.