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Deutschland braucht ein starkes Lieferkettengesetz

12. Dezember 2022
Thema:Menschenrechte
Von:Katharina Höftmann Ciobotaru, Sarah Kessler
Überall auf der Welt leiden Mensch und die Umwelt in den Wertschöpfungsketten europäischer Unternehmen. Freiwillig ergreifen die meisten Firmen keine ausreichenden Maßnahmen, um Menschenrechte und Natur zu schützen. Spätestens seit dem verheerenden Brand in einer Textilfabrik in Bangladesch, bei dem Unglück 2013 starben mehr als tausend Menschen, sind sich viele Konsumenten:innen bewusst, dass ihre Waren oft auf dem Rücken der Menschen im Globalen Süden hergestellt werden. Doch auch wenn dieses Bewusstsein wichtig ist: Der Kampf gegen unfair produzierte Güter sollte nicht von den Konsumenten:innen geführt werden, sondern von den Unternehmen selbst, die auf dem Rücken vieler Menschen Milliardengewinne einfahren.

Mit einem Lieferkettengesetz soll ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, um Umwelt, Menschen- und Kinderrechte zu schützen. Unternehmen sollen verpflichtet werden, sich entlang ihrer Lieferketten an die vereinbarten Standards zu halten. In Deutschland wird bereits ab dem 1. Januar 2023 ein Lieferkettengesetz gelten, das jedoch mehrere Schlupflöcher enthält und längst nicht alle Arbeitnehmer:innen schützt. Aber auch auf EU-Ebene wird aktuell um einen einheitlichen Gesetzesrahmen gerungen.

Interne Dokumente der zuständigen Bundesministerien und aus den EU-Ratsverhandlungen, die dem ARD-Magazin Monitor exklusiv vorliegen, zeigen: Die deutsche Bundesregierung versucht, den Gesetzentwurf an entscheidenden Punkten abzuschwächen.

Safe-Harbour-Klausel schwächt Gesetz erheblich ab

So sollen Waffenexporte und Finanzinvestitionen von dem Gesetz ausgenommen werden. Darüber hinaus müssen Unternehmen erst dann Risiken bei mittelbaren Geschäftspartnern untersuchen, wenn sie bereits Kenntnis über mögliche Menschenrechtsverstöße haben und wenn es vielleicht schon zu spät ist. Außerdem müssen Firmen dank einer sogenannten „Safe Harbour“-Klausel (zu Deutsch „sicherer Hafen“) nicht vor Zivilgerichten in der EU für Schäden haften, die sie durch Verstöße gegen Sorgfaltspflichten verursacht haben. Dieser Regelung folgend, könnten sich Unternehmen ihre Produkte einfach von externen Prüfern als einwandfrei zertifizieren lassen und mit einem solchen Zertifikat haften die Unternehmen dann nur noch, wenn ihnen grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz nachgewiesen werden kann. Eine deutliche Abschwächung der Haftungsregelung also.

Denn Zertifikate allein lösen das Problem nicht: Auch die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, die 2013 einstürzte, hatte kurz zuvor ein Zertifikat zur Gebäudesicherheit erhalten.

"Zahnloser Papiertiger"

Der Sozialdemokrat und EU-Abgeordnete Repasi fürchtet in der Tagesschau sogar, dass es sich bei dem ab Januar in Deutschland geltenden Gesetz um einen „zahnlosen Papiertiger“ handele. Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in Lieferketten würden mit diesem Gesetz nicht ausreichend bekämpft.

Dabei hat sich die Ampel ein „wirksames EU-Lieferkettengesetz“ in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Bereits im Februar hatte die Europäische Kommission dazu einen Vorschlag vorgelegt. Der EU-Ministerrat für Wettbewerbsfähigkeit hat sich Anfang Dezember dazu positioniert – Deutschland hat dem Ratsbeschluss zugestimmt.

Doch die Bundesregierung hat sich in den Verhandlungen nicht gerade rühmlich gezeigt: Bisher setzt sich die Bundesregierung nicht gerade für ein wirksames EU-Gesetz ein, sondern eher für dessen Abschwächung.

Fairplanet - Was tun?

Die Initiative Lieferkettengesetz.de fordert schon lange einen gesetzlichen Rahmen, der wirklich Arbeitnehmer:innen und Umwelt schützt:

- das Lieferkettengesetz muss ausnahmslos die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette von Unternehmen erfassen, ohne Ausnahmen und Schlupflöcher;

- Es muss Unternehmen in Haftung nehmen und Geschädigten endlich die Möglichkeit bieten, erfolgreich vor Gerichten in Europa Schadensersatz gegenüber beteiligten Unternehmen einzuklagen;

- Es muss Unternehmen verpflichten, auch Umwelt und Klima zu schützen;

- Es muss eine umfassende Beteiligung der Betroffenen bei der Umsetzung des Gesetzes sicherstellen.

Artikel geschrieben von:
ecco_katharina_hoeftmann
Katharina Höftmann Ciobotaru
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Sarah Kessler
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Kinder in Indien graben in tiefen Löchern nach dem Mineral Mica. Das Material findet man in vielen Produkten wie Autos, Handys, Computer, Haushaltsgeräte, Kosmetik, Farben und Lacken. Mica ist vielfältig einsetzbar, weil es Strom und Hitze isoliert, Materialien verstärkt und schimmert. Die größten Exporteure sind Indien und Madagaskar. Dort schürfen mehr als 32.000 Kinder Mica. Ein starkes EU-Lieferkettengesetz würde Unternehmen endlich verpflichten, wirksam gegen diese Form der Ausbeutung von Kindern vorzugehen.
© DIBYANGSHU SARKAR / Freier Fotograf
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Die Rana Plaza-Katastrophe in Bangladesch: Bei dem schlimmsten Unglück der Textilindustrie kamen tausende Menschen ums Leben. Ein starkes Lieferkettengesetz kann Menschen im Globalen Süden besser schützen.
© NurPhoto / Kontributo
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